Der online MIDI GuideLogo
Vorwort Inhaltsverzeichnis Downloads Links Contact

11 ALLGEMEINE MIDI TIPPS

11.1 Multimode-Instrumente

Nahezu alle modernen MIDI-Synthesizer/Soundmodule arbeiten im sog. "Multi Mode", können also mehrere Klänge verschiedener Art gleichzeitig erzeugen. Je nach Hersteller hat dabei jeder Einzelklang die Bezeichnung "Part", "Timbre", "Voice", "Module" o. ä. Diese nahezu babylonische Sprachverwirrung trägt leider nicht zum allgemeinen Verständnis der Materie bei.
Prinzipell können derartige Geräte mit wenigen Ausnahmen als eine Ansammlung von Soundmodulen betrachtet werden, die lediglich in einem Gehäuse zusammengefasst wurde. Für normale Multimode Anwendungen erhält daher jeder Part einen eigenen MIDI-Kanal, so dass die Parts getrennt gesteuert werden können.


Fast jedes Multimode-Soundmodul besitzt auch so etwas wie eine "übergeordneten" Struktur, die in erster Linie organisatorischen Dingen dient. So besitzt z. B. der ROLAND JV-2080 weitere 32 Speicherplätze, in denen die verschiedenen Konfigurationen der einzelnen Parts gespeichert werden können. Solch ein Speicherplatz wird beim ROLAND JV-2080 "Performance" genannt. Diese Performances erleichtern die Nutzung für verschiedene Anwendungen enorm. So kann man z. B. für übereinandergelegte Klangteppiche eine Performance anlegen, indem mehrere Parts den gleichen MIDI-Kanal nutzen; für Splitsounds kann eine Performance mit unterschiedlichen Tastaturbereichen pro Part definiert werden.


Somit läßt sich für nahezu jeden Anwendungszweck eine Konfiguration der einzelnen Parts erzeugen. Um die einzelnen Performances abzurufen, findet ein für diesen Zweck zu selektierender MIDI-Kanal Verwendung, der "Performance Control Channel". Mittels Bank Select und Program Change-Meldungen auf dem Control-Channel lassen sich die Performances umschalten.


Zu Schwierigkeiten kann es allerdings kommen, wenn unbedachterweise der Control Channel denselben MIDI-Kanal benutzt wie ein (oder mehrere) Part(s). Obwohl normalerweise die Program Change-Umschaltung des Control Channel Priorität besitzt (und die Umschaltung im "normalen" Part ignoriert wird), können trotzdem bei einigen Instrumenten u. U. merkwürdige Dinge auftreten, da eventuell zwei gegensätzliche Dinge gleichzeitig ausgeführt werden sollen ...

11.2 Instrumente mit integriertem Arranger

Arranger-Keyboards/Expander sind Multimode-Instrumente mit einigen Sonderfunktionen. Sie beinhalten einen oder mehrere spezielle Parts ("Note To Arranger/NTA"), die aus den Noten, die auf ihnen zugeordneten MIDI-Kanälen empfangen werden, weitere rhythmisierte Daten generieren und diese den anderen Parts zukommen lassen. Oftmals werden diese Daten auch via MIDI übertragen. Zu Schwierigkeiten kommt es durch Fehlanpassung der MIDI-Kanäle oder durch falsche Zuweisung der Notennummern.


Soll ein Arranger in Verbindung mit einem Sequencer genutzt werden, so gibt es zwei prinzipiell verschiedene Vorgehensweisen. Häufig wird fälschlicherweise das vom "NTA" generierte Arrangement im Sequencer aufgezeichnet und dem Arranger wieder zugeführt. Dabei wird der "NTA" erneut angesteuert und steuert seinerseits wiederum die verschiedenen Parts an. Diese Parts werden aber bereits durch das im Sequencer befindliche Arrangement gesteuert, so dass hier die lustigsten Dinge passieren können...
Um diese Vorgehensweise korrekt anzuwenden, ist es notwendig, den "NTA" abzuschalten oder seinen Empfangs-Kanal (RX Channel) auf einen sonst nicht verwendeten MIDI-Kanal zu setzen. Ferner sollte der Begleitautomat nicht via MIDI gestartet werden können, da er sonst beim Sequencerstart ebenfalls loslegt und dieses nicht erwünscht ist, da die Rhythmus-Daten (genau wie die Daten der anderen Parts) bereits vom Sequencer aufgezeichnet wurden.


Die zweite Methode ist wesentlich einfacher und für viele Anwendungen eindeutig vorzuziehen. Dabei wird der Sequencer als "Gastmusiker" benutzt, indem in ihm lediglich die Harmonien sowie die Melodie aufgezeichnet werden. Nun wird mit dieser Aufnahme der (synchronisierte !!) "NTA" sowie ein Melodie-Part angesteuert.

11.3 MIDI - Delay

Unter dieser Bezeichnung werden fälschlicherweise oftmals alle ungewollen Verzögerungen innerhalb eines MIDI-Systems zusammengefasst. Der Vollständigkeit halber sei hier noch erwähnt, dass es auch eigenständige Geräte bzw. Programme gibt, die solche Verzögerungen generieren können, um sie als Effekt nutzbar zu machen. Solche gewollten Delays können in der Regel auch mit handelsüblichen Sequencern erzeugt werden.


Da MIDI-lnformationen seriell - also nacheinander - übertragen werden, ist es prinzipiell nicht möglich zwei Noten wirklich gleichzeitig erklingen zu lassen. Da MIDI jedoch bis zu 31.250 Bits pro Sekunde übermitteln kann und durch datenreduzierende Maßnahmen ("Running Status") die notwendige Datenmenge zum Erzeugen einer Note auf zwei Bytes begrenzt werden kann, beträgt die Verzögerung zwischen zwei Noten im günstigsten Fall etwa zwei Drittel einer Millisekunde. Derartig geringe Verzögerungen zwischen zwei Noten sind jedoch zu vernachlässigen und sollten selbst den feinsten Ohren keine Probleme bereiten. Kann aber der Running Status nicht benutzt werden, weil z.B. die Noten auf unterschiedlichen MIDI-Kanälen übermittelt werden, steigt die Verzögerung auf etwa eine Millisekunde an. Werden dann noch zusätzliche Daten übertragen, so kommen schon einige Millisekunden zusammen. Jedoch kann durch geschicktes Verteilen der Daten das eigentliche MIDI-Delay in der Regel in einem akzeptablen Rahmen gehalten werden.


Viele Sequencer bieten die Möglichkeit, ein "negatives Delay" zu erzeugen, so dass zeitkritische Positionen (z.B. Zählzeit "1") entlastet werden können. Außerdem sollten in jedem Fall nur die notwendigen Daten übertragen werden. Von intensivem Gebrauch der Spielhilfen und der Controller ist daher an solchen Stellen abzuraten.


Neben diesem echten, unvermeidlichen MIDI-Delay entstehen weitere Verzögerungen durch sogenanntes "Daisy Chaining". Darunter versteht man nicht das Anketten einer bekannten Disney-Figur, sondern die Hintereinanderschaltung mehrerer Empfänger durch das Verbinden der THRU-Buchse des jeweiligen Gerätes mit der IN-Buchse des nachfolgenden Instrumentes. Dabei durchläuft der MIDI-Datenstrom mehrere elektronische Bauteile (Optokoppler), die ihn mehr oder weniger verzerren, so dass das nachfolgende Gerät etwas mehr Zeit benötigt, um die Daten interpretieren zu können. Diese Verzerrungen werden normalerweise nach etwa dem fünften oder sechsten Gerät so stark, dass der nachfolgende Empfänger gar nichts mehr erkennen kann.


Auch schlechte oder viel zu lange MIDI-Kabel können die Daten verzerren, so dass deren Interpretation verzögert wird. Die Kabel selbst verzögern die Daten nur unwesentlich, da diese sich etwa mit Lichtgeschwindigkeit in ihm fortbewegen. Ein MIDI-Kabel, welches Daten um eine Millisekunde verzögern würde, hätte also eine Länge von 300 Kilometern...


Technisch gesehen resultieren diese Verzerrungen aus den elektrischen Eigenschaften (Kapazitäten, Induktivitäten und Widerständen) der Kabel und aus der betrüblichen Eigenschaft handelsüblicher Optokoppler, ansteigende und absteigende Flanken mit unterschiedlicher Geschwindigkeit zu verarbeiten. Im Ernstfall kann dadurch ein nicht gesetztes Bit zu einem gesetzten werden. Auch lustige 9-Bit-Bytes können auf diese Weise entstehen. Die Folgen sind nicht abzusehen, aber in keinem Fall erwünscht.


Durch die Benutzung von entsprechenden Verteilern (MIDI-Patchbays oder MIDI-Thru-Boxen) sowie den Gebrauch von hochwertigen, kurzen Kabeln kann diesem Problem entgegengewirkt werden.
Die dritte mögliche Art von Verzögerungen hat mit MIDI selbst nichts zu tun und betrifft die Rechenkapazität der einzelnen Geräte. Wenn auf einem Keyboard eine Taste gespielt wird, muss diese vom Instrument zuerst erkannt werden, danach kann die eingebaute Elektronik die entsprechenden Berechnungen anstellen, um schließlich daraus einen MIDI-Befehl zu generieren, der dann an der OUT-Buchse zur Verfügung gestellt wird. Der Betrag dieser Verzögerung hängt von den vom Hersteller benutzten Komponenten (welcher Microprozessor) sowie von der Qualität des im Gerät integrierten Betriebssystems ab und ist in der Regel vom Benutzer nicht zu verändern. Auch Klangerzeuger benötigen mitunter ein paar Millisekunden, um nach Erhalt eines MIDI-Befehls den gewünschten Klang zu erzeugen.

11.4 Fehlersuche

Gerade komplexere MIDI-Setups neigen dazu, ein funktionsbezogenes Eigenleben zu entwickeln. Das, was das Setup auf dem Papier können sollte, steht mitunter in krassem Gegensatz zur Praxis. Um solchen Fehlfunktionen auf die Spur zu kommen, hat sich folgende Vorgehensweise bestens bewährt. Dabei sind der Reihe nach folgende Punkte zu überprüfen:


?  Besteht eine (oder mehrere) MIDI-Schleife ?
!  (local On/Off, Merger und Soft Thru-Einstellung prüfen)


?  Sind die Geräte in der Lage, die notwendigen Daten zu senden ?
!  (MIDI Implementations-Tabelle überprüfen, gerätespezifische Parameter kontrollieren )


?  Tun die Geräte dieses auch ?
!  (Sendekontrolle durch Analyser)


?  Sind die Geräte in der Lage, die notwendigen Daten zu empfangen ?
!  (MIDI Implementations-Tabelle überprüfen, gerätespezifische Parameter kontrollieren)


?  Tun die Geräte dieses auch ?
!  (Daten z.B. mit Sequencer erzeugen und an das Gerät senden)


?  Stimmt die Verkabelung ?
!  (neuen Verkabelungsplan erstellen und mit der Realität vergleichen)


?  Stimmt die Programmierung der Patchbay ?
!  (neu programmieren)


?  Ist die Hardware ok ?
!  (in folgender Reihefolge prüfen und ggfs. gegen Vergleichstyp austauschen:
    Kabel, Patchbays, Empfänger, Sender)


Natürlich kann dieses System nicht alle Fehlerquellen erfassen, daher sollten Sie auch periphere Dinge analoger Natur beachten, bevor Sie Ihre Geräte austauschen (ist der Verstärker eingeschaltet... ? Hat jemand die Boxen geklaut... ?).

11.5 Wie sieht MIDI aus?

ACHTUNG: Dieser Tipp ist wirklich nur für technisch versierte Leute gedacht, die wissen, was sie tun. Bei falschen Anwendungen könnten leicht Schäden auftreten!!!

Wenn sie technisch interessiert sind, ist Ihnen eventuell schon der Gedanke gekommen, sich mittels eines Oszilloskops oder eines Analysers einmal die MIDI-Daten anzusehen. Physikalisch gesehen ist MIDI eine serielle Schnittstelle mit 31.25 KBaud Übertragungsrate auf dem Prinzip einer optisch entkoppelten Stromschleife. Leider sind bei verschiedenen Geräten unterschiedliche Offset-Spannungen auf dem Bus zu finden, so dass man zuerst einmal das Oszilloskop entsprechend justieren muss. Wenn Sie dann zu einem Ergebnis gekommen sind, werden Sie feststellen, dass MIDI überhaupt kein 7-Bit System ist, sondern jedes Byte zehn Bits beinhaltet. In der Tat werden die normalen MIDI-Bytes von je einem Start- und einem Stopbit flankiert, so dass sich die Zahl "10" ergibt. Wenn Sie auf dieser Ebene Zeitmessungen im Nano- bzw. Microsekundenbereich bewerkstelligen können, sind Sie in der Lage, der Rechenkapazitätsauslastung Ihres Gerätes auf den Zahn zu fühlen. Das "Active Sensing"-Intervall, welches etwa alle 300 ms generiert wird, verändert nämlich unter Umständen sein Timing, sofern das Instrument "arbeiten" muss...

11.6 Kann man MIDI hören?

ACHTUNG: Dieser Tipp ist wirklich nur für technisch versierte Leute gedacht, die wissen, was sie tun. Bei falschen Anwendungen könnten leicht Schäden auftreten!!!

Eine andere, nahezu unbekannte Methode sich dem Phänomen MIDI zu nähern, besteht darin, diese Schnittstelle mittels geeigneten Equipments hörbar zu machen. Nachdem sie einen einfachen Lautsprecher an Ihr Equipment geschlossen haben, werden Sie zunächst das regelmäßige Ticken des Active Sensing hören. Wenn Sie ein paar Noten auf der Tastatur spielen, vernehmen Sie unregelmäßiges Knacken, welches sich unter Einsatz des Pitch-Bendings zu einem Prasseln steigern Iäßt. Zwar kann diese Methode keine qualitativen Ergebnisse liefern, aber interessant ist sie schon. Außerdem sind kleine Billigst-Lautsprecher die unaufwendigste Form von MIDI-Checkern überhaupt. Immerhin lassen sich Datentypen wie Clock-, Note- und Controller-Event leicht auf diese akustische Weise identifizieren.


Allerdings sei darauf hingewiesen, dass nicht alle MIDI-Schnittstellen eine niederohmige Belastung durch einen Lautsprechen vertragen. Der Einsatz eines Verstärkers mit entsprechender Eingangsimpedanz ist daher ratsam...