Goiânia
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Goiania Der Goiânia-Unfall ereignete sich 1987, als in der brasilianischen Stadt Goiânia radioaktives Material gestohlen und von den Dieben unter Freunden und Bekannten verteilt wurde. Teile der Stadt sind bis heute radioaktiv belastet.



Der Diebstahl
Zwei Diebe, Wagner Mota und Roberto Santos Alves, drangen am 13. September 1987 in das Goiânische Institut für Radiotherapie, eine verlassene Klinik in Goiânia, ein und entwendeten dort mit einer Schubkarre ein seit zwei Jahren ausgedientes Strahlentherapiegerät, weil sie das Metall für wertvoll hielten. Sie öffneten das Gerät teilweise in dos Santos' Hinterhof und erlitten Verbrennungen durch Gammastrahlen. Da sie nicht in der Lage waren, das Gerät weiter auseinanderzubauen, verkauften sie es an den Schrotthändler Devair Alves Ferreira, um aus dem Altmetall Profit zu schlagen.

Die Öffnung des Behälters
Der Schrotthändler wollte seiner Frau aus dem blau leuchtenden Material einen Armreifen fertigen und ließ die Bleiverkleidung öffnen. Beim Zerlegen des Geräts öffnete der Schrotthändler den Bleibehälter mit dem radioaktiven Cäsium-137, so dass dieses aus dem Gerät entweichen konnte. Das in der Dunkelheit blau phosphoreszierende Pulver, das normalem Kochsalz stark ähnelt, faszinierte den Schrotthändler, sodass er es mit nach Hause nahm und es an Familienmitglieder und Bekannte weitergab. Da das Salz die Luftfeuchtigkeit anzieht, haftet es leicht an Körper und Kleidung und vereinfacht die Verbreitung. Der Ursprung des blauen Leuchtens war damals nicht erforscht. Man vermutet heute, dass es sich dabei um Fluoreszenz oder um Tscherenkow-Licht handelte. Am 25. September verkaufte Ferreira den Behälter an einen anderen Schrotthändler weiter.


Verbreitung der Kontamination
Die Frau des Schrotthändlers (Maria Gabriela Ferreira) bemerkte die gleichzeitige Erkrankung vieler Freunde zuerst, führte sie aber auf ein gemeinsames Getränk zurück. Viele Betroffene gingen zuerst zu Apotheken, dann zu Hausärzten und zuletzt in Krankenhäuser. Die konsultierten Ärzte hielten die Symptome jedoch für eine neuartige Krankheit.

Feststellung der Radioaktivität und Gegenmaßnahmen
Am 28. September verdächtigte Maria Gabriela Ferreira den Behälter, die Krankheiten zu verursachen, und brachte ihn in ein Krankenhaus. Der dortige Arzt vermutete korrekterweise Radioaktivität und brachte den Behälter außerhalb des Krankenhauses, auf einen Stuhl im Garten. Frau Ferreira hatte den Behälter (aus dem bereits 90% seiner Radioaktivität entwichen waren) in einer Plastiktüte im Bus transportiert und ihn auch im Krankenhaus nicht geöffnet, was vielen Menschen das Leben rettete. Auch die Strahlung im Bus war nicht gesundheitsgefährdend.

Am 29. September wurde durch den Spezialisten Walter Mendes mittels eines Szintillationszählers der nationalen Atomenergiebehörde NUCLEBRAS die Verstrahlung Ferreiras festgestellt. Die Regierung wurde später beschuldigt, eine Zeit lang den Unfall zu vertuschen und alarmierende Daten der Zivilbevölkerung vorzuenthalten. Das behördliche Notfallprogramm setzte ab diesem Zeitpunkt ein.

In der Zwischenzeit hatten jedoch bereits zahlreiche Personen zum Teil hohe Strahlendosen erlitten. Vier Personen starben an den Folgen dieser Bestrahlung. 28 Personen erlitten strahlungsbedingte Hautverbrennungen.

Evakuierung
In den darauf folgenden Tagen wurden an allen Einwohnern und deren Umgebung Kontaminationsmessungen durchgeführt. 112.800 wurden untersucht, 249 kontaminierte Personen wurden identifiziert. Es zeigte sich, dass die Radioaktivität über mehrere Wohnbezirke verschleppt worden war, ganze Straßenzüge und Plätze waren kontaminiert. Evakuierte Personen wurden in das Olympiastadion der Stadt gebracht, wo ein provisorisches Zeltlager aufgebaut wurde.

Insgesamt waren 85 Häuser kontaminiert. Über 200 Menschen mussten aus 41 massiv kontaminierten Häusern evakuiert werden. Zur Dekontamination mussten sieben Gebäude vollständig abgerissen werden. In den Gärten und in öffentlichen Parkanlagen musste teilweise die oberste Erdschicht abgetragen werden.

Nachspiel
Trotz des gewaltigen Aufwands, der für die Dekontamination betrieben wurde, werden auch heute noch in einigen der damals betroffenen Straßenzüge und Plätze erhöhte Strahlendosiswerte gemessen. Es ist daher nachvollziehbar, dass der Unfall für die Stadt und Region Goiânia auch wirtschaftlich gravierende Folgen hatte.

  • 85 kontaminierte Häuser, davon 41 evakuiert und 7 abgerissen
  • 112.800 Personen wurden untersucht, 249 (andere Quellen 129) davon waren kontaminiert, 49 wurden interniert, 21 intensiv, davon vier Todesfälle.
  • Es wurden 3500 m3 radioaktiv-belasteter Abfall produziert. Dieser muss in 14 Containern für 180 Jahre sicher gelagert werden. Dafür wurde der Nationalpark Parque Estadual Telma Ortegal errichtet.
  • Sämtlicher Inhalt der abgerissenen Häuser wurde auf Kontamination untersucht und bei bestätigter Kontamination (und großem persönlichem Wert) gereinigt und zurückgegeben, um den psychologischen Schaden zu verringern.
  • Sämtliche kontaminierten Häuser wurden mit speziellen Staubsaugern gereinigt. Dächer, Wände und Decken wurden abgekratzt und neu gestrichen, zwei Dächer mussten komplett ersetzt werden.


  • Verletzungen und Tote unter den Beteiligten
  • Einer der beiden Diebe verlor seinen Arm durch Amputation aufgrund der Verstrahlung.
  • Der Schrotthändler Ferreira erlitt eine Strahlendosis in Höhe von 7,0 Gray, überlebte jedoch. Er machte sich über die Situation lustig, forderte Geld für Fotografien und Interviews und führte sein Überleben auf seinen starken Bier- und Schnapskonsum zurück. Später heiratete er erneut.
  • Zwei der Gehilfen des Schrotthändlers starben an der Bestrahlung (4,5 und 5,3 Gray)
  • Die Tochter des Schrotthändlers (Leide Alves Ferreira, 6 Jahre) starb am 23. Oktober. Ferreiras Bruder hatte den Behälter gereinigt, wobei Staub auf den Boden fiel, von dem sie später aß. Sie wurde in einem bleiernen Sarg mit Zementmantel begraben. Nach anderer Darstellung erhielt sie von ihrem Vater radioaktive Substanz, womit sie sich einrieb und später ohne sich die Hände zu waschen aß.
  • Der Bruder des Schrotthändlers malte sich ein blau leuchtendes Kreuz auf sein Hemd. Er verschleppte die Kontamination auf seinen Bauernhof, wo mehrere Tiere starben.
  • Die Frau des Schrotthändlers (Maria Gabriela, 5,4 Gray) starb am 23. Oktober.


  • Rechtliches
    Die drei Ärzte, denen das verlassene Krankenhaus gehörte, wurden der groben Fahrlässigkeit angeklagt. Seitdem sind Inventarlisten Pflicht.