Warnschild

Russlands Strahlende Leuchttürme

ÜbersichtskarteRussland hat schon seit den 70er Jahren damit begonnen, seine gigantische Nordküste zum Eismeer hin durch eine Reihe von Leuchttürmen und Navigations-Funk-Leuchtfeuern zu sichern. Dieses an sich durchaus verständliche Vorhaben wurde allerdings dadurch erschwert, dass sich weite Teile der Küste in extrem entlegenen und außerordentlich schwer zugänglichen Gebieten befinden, sodass die entsprechenden Stationen nicht oder nicht regelmäßig gewartet werden können. Ferner steht keine lokale Energiequelle zur Verfügung, sodass man zur Versorgung sogenannte Radioisotopengeneratoren (RTGs, im Volksmund auch als 'Atombatterie' bezeichnet) einsetzte. Diese haben den Vorteil, auch ohne regelmäßige Wartung langfristig (mehrere Jahrzehnte) Strom erzeugen zu können, mit dem das Funkfeuer, bzw. der Leuchtturm betrieben werden kann. Der Nachteil liegt in der radioaktiven Natur dieser Systeme...

Auch wenn keine exakten Zahlen vorliegen, so wird geschätzt, dass insgesamt etwa 700-1000 solcher RTGs auf dem Gebiet der ehemaligen UDSSR installiert wurden. Nach dem Niedergang der Sowjetunion sind allerdings entsprechende Unterlagen nicht archiviert, bzw. aktualisiert worden und bis auf den heutigen Tag sind lange nicht alle 'Strahlenden Leuchttürme' geortet worden.

Schrottdiebe und Vandalen
Da Armut und Unkenntnis auf dem Gebiet der ehemaligen Sowjetunion groß und die Schrottpreise relativ hoch sind, passiert natürlich genau das, was sich zum nuklearen Albtraum entwickeln kann: Die Stahl und Bleiverkleidungen, die die hochradioaktiven Heizelemente abschirmen sollen, werden entfernt und als Schrott verkauft, wobei die Strahlenden Überreste achtlos liegengelassen werden.

RTG auf der Insel Shalaurov in Chukotka


Verwüsteter RTG auf der Insel Shalaurov in der Provinz Chukotka (2005). Nachdem die für die Schrottdiebe wertvolle Abschirmung und Bleiverkleidung entfernt wurden, ist nur der RTG zurückgelassen worden. Der gemessene Strahlungspegel überschritt die als normal geltenden Grenzwerte um das dreißigfache.

 

Ein weiterer RTG in der Region Archangelsk im Nord-Westen Russlands


Ein weiterer verlassener RTG in der Region Archangelsk im Nord-Westen Russlands.

(K)ein schlechter Abenteuerfilm
Die Geschichten, die sich um entwendete oder zerstörte RTGs ranken könnten aus einem drittklassigen Abenteuerfilm stammen. Wäre der Hintergrund nicht so ernst, könnte man fast darüber schmunzeln.

  • Am 12. November 2003 fand der Hydrographische Dienst der Nordflotte einen verwüsteten Beta-M RTG in der Bucht von Oleniya (innerhalb der Kola Bucht) in der Nähe der Hafenstadt Polyarny. Alle Bestandteile -inklusive des Uran-Schutzschildes- fehlten. Die radioaktive Hitzequelle -eine Strontium Kapsel- wurde in der Nähe der Küste in drei meter tiefem Wasser gefunden.
  • Nur einen Tag später fand dasselbe Team auf der insel Yuzhny Goryachinsky in der Kola Bucht einen komplett zerlegten RTG derselben Bauart, der genutzt wurde um das Funkfeuer Nr. 437 mit Strom zu versorgen. Auch dieser RTG war vollständig zerstört und die Schutzummantelung fehlte. Die strahlende Kapsel wurde auf dem Grund in Küstennähe im Norden der Insel gefunden. Der Vorfall wurde als offiziell als 'Strahlungs-Unfall' ('radioactive accident') eingestuft


  • Gemäß einer Stellungsnahme der Verwaltung der Region 29 Murmansk ist eine solche RHS-Kapsel (Also die radioaktive Hitzequelle eines solchen Generators / 'Radioactive Heat Source') eine Quelle erhöhter Strahlengefährdung, die etwa 1000 Röntgen pro Stnde an ihrer Oberfläche emittiert. Für Mensch und Tier ist eine Nähe von weniger als 500 Metern lebensgefährlich. Man kann davon ausgehen, das die Menschen, die diese RTGs zerlegt haben, eine tödliche Strahlendosis erlitten haben.

    Das Bergungsteam der durchs Eis geschmolzenen Kapsel
  • Am 12. März 2003 —an diesem Tag äußerte Alexander Rumyantsev (der Minister für Atomenergie) übrigens in einer Rede in Wien seine Besorgnis über die mangelnde Sicherung nuklearen Materials- fand das Personal der Leningrader Marinebasis einen weiteren ausgeplünderten Leuchtturm in der Nähe von Kurgolovo, auf der Halbinsel Kurgalsky. Die Diebe erbeuteten 500 Kilogramm Rostfreien Stahl, Aluminium und Blei. Die radioaktive Hitzequelle haben sie in 200 Metern Entfernung auf die gefrorene See geworfen. Die heiße Kapsel ließ das Eis schmelzen und sank auf den Meeresboden. Obwohl das Wasser darüber wieder zu einer mehr als einen Meter dicken Schicht gefroren ist, betrug die Strahlung immer noch 30 Röntgen pro Stunde.
  • Ein identischer Leuchtturm wurde 1999 in der Region um Leningrad zerstört. Das Heizelement wurde an einer Bushaltestelle in der Stadt Kingisepp in 50 Kilometer Entfernung zurückgelassen. Drei Personen, von denen die Polizei annimmt, dass es sich um die Täter handelte, starben an der Strahlenbelastung.
  • Im Mai 2001 wurden drei RTGs aus Leuchttürmen entwendet, die in der Region Kandalaksha stehen. Diese Region ist ironischerweise Russlands bekanntes Zentrum für ökoligischen Tourismus... Die Strahlenquellen konnten jedoch gefunden und geborgen werden. Die zwei Diebe erlitten schwere Strahlenschäden.
  • Transport per Helikopter
  • In der Region Okha an der Ostküste von Sakhalin wurde 1987 ein 2,5 Tonnen schwerer RTG vom Typ IEU-1 von einem MI-8 Hubschrauber wegen starker Sturmböen ins Meer abgeworfen, um den Absturz des Hubschraubers zu vermeiden.
  • Im August 1997 fiel ein weiterer IEU-1 - RTG vom Hubschrauber ins Meer; dieses Mal im Nördlichen Teil von Sakhalin in der Region Smirnykh. Als Grund wurde menschliches Versagen angegeben.
  • Beide RTGs liegen immer noch auf dem Meeresgrund und offizielle Behörden schließen das zukünftige Auftreten eines Strahlungslecks aufgrund von Beschädigung und Verrottung durch das Meerwasser nicht aus.



    Die aufgrund der Strahlung entstehende Wärme läßt den Schnee schmelzen  RTGs auf dem Schrottplatz


    Bellona Foundation

    Erheblich detailliertere Berichte über diese und ähnlicher Vorkommnisse, Quellenangaben und viel Hintergrundwissen gibt es -leider nur auf englisch- bei der der Bellona Foundation, z.B. hier