Eine kleine -bei weitem nicht vollständige- Liste von Unfällen mit kerntechnischem Material
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Los Alamos, New Mexico, Vereinigte Staaten
21. August 1945 - Harry K. Daghlian, Jr., arbeitet auf dem Omega Gelände der Atomwaffenfabrik in Los Alamos und erzeugt eine überkritische Masse, als er versehentlich einen Wolframkarbid-Klotz auf einen Plutonium-Kern fallen läßt. Obwohl er das Stück wegstößt, wird er bei dem Vorfall schwer verstrahlt und stirbt am 15. September. (INES: 4)[1]

Los Alamos, New Mexico, Vereinigte Staaten
21. Mai 1946 - In der Atomwaffenfabrik in Los Alamos fügt der kanadische Physiker Louis Slotin zwei Plutonium-Halbkugeln zu einer überkritischen Masse zusammen, während er seine Technik mehreren interessierten Wissenschaftlern demonstriert. Die Versuchsanordnung besteht aus zwei von Beryllium-überdeckten Plutonium-Halbkugeln, bei denen es sich um den 6 kg schweren aktiven Kern einer der drei Atombomben für die Operation Crossroads handelt. Das Beryllium wird als Neutronenreflektor benutzt. Je näher die Halbkugeln zusammengefügt werden, desto weniger Neutronen können entfliehen und desto größer wird die Reaktivität. Normalerweise werden die Halbkugeln von Maschinen langsam zusammengefügt, um die kritische Masse zu messen. Dabei fungieren zwei 3,2 mm dicke Distanzstücke als Sicherheitsvorrichtung. Unterhalb dieser Distanz kann es zu einem überkritischen Neutronenüberschuss kommen. Slotin will etwas Neues probieren und hält die obere Halbkugel in der Hand mit seinem Daumen fest. Er entfernt die Distanzstücke und beginnt langsam die Halbkugeln zueinander zu bringen. Er legt die obere Halbkugel an einer Stelle direkt auf die untere und auf der anderen Seite mit einem dazwischen liegendem Schraubendreher, den er langsam dreht und so die Halbkugeln einander annähert. Der Schraubendreher rutscht jedoch heraus und die Anordnung wird prompt überkritisch, während Slotin die obere Halbkugel noch festhält. Die Beteiligten spüren eine kurze Hitzewelle und die Versuchsanordnung ist in ein bläuliches Schimmern gehüllt. Durch den so genannten Prompt Burst dehnt sich das Plutonium sofort wieder aus und die Kettenreaktion wird subkritisch, so dass es nicht zu einer Explosion kommt. Slotin kann die obere Halbkugel wegstoßen und damit die Reaktivität reduzieren. Er wird durch den Unfall einer tödlichen Energiedosis von etwa 10 Gray ausgesetzt, die sieben Beobachter erhalten bis zu 1,7 Gray. Slotin stirbt am 30. Mai an der Strahlenkrankheit. Dieser Unfall wird auch in dem Film "Fat Man and Little Boy" (1989) thematisiert. (INES: 4)[2]

Chalk River, Kanada
12. Dezember 1952 – Der erste ernste Reaktorunfall ereignete sich im sogenannten NRX-Reaktor in Chalk River in der Nähe von Ottawa, Kanada. Während eines Tests des Forschungsreaktors wurde durch Fehlbedienungen, Missverständnisse zwischen Operator und Bedienpersonal, falsche Statusanzeigen im Kontrollraum, Fehleinschätzungen des Operators und zögerliches Handeln der Reaktorkern bei einer partiellen Kernschmelze zerstört. Dabei warf eine Knallgas-Explosion im Reaktorkern die Kuppel eines vier Tonnen schweren Helium-Gasbehälters 1,2 m hoch, wodurch sie im Aufbau stecken blieb. Durch die Explosion wurden mindestens 100 TBq an Spaltprodukten in die Atmosphäre freigesetzt. Bis zu vier Millionen Liter mit etwa 400 TBq langlebigen Spaltprodukten radioaktiv kontaminiertes Wasser wurden aus dem Keller des Reaktorcontainment in eine sandige Sickergrube gepumpt, um eine Kontaminierung des nicht weit entfernten Flusses Ottawa zu verhindern. Der beschädigte Reaktorkern wurde vergraben. Der spätere US-Präsident Jimmy Carter, damals Nukleartechniker in der Navy, half bei den mehrere Monate dauernden Aufräumarbeiten. Der Reaktor ging zwei Jahre später wieder in Betrieb. (INES: 5) [3]

Bikini Atoll, Pazifischer Ozean
28. Februar 1954 - Es wurde die stärkste amerikanische thermonukleare Waffe ('Castle Bravo') getestet, die mit einer Sprengkraft von etwa 15 Megatonnen TNT-Äquivalent detonierte und damit fast 2,5 mal so stark war wie von beteiligten Wissenschaftlern vermutet. Bei diesem größten jemals auf dem Atoll gezündeten Atomwaffenversuch wurden 236 Bewohner der Insel Rongelap verstrahlt, viele von ihnen erkrankten an der Strahlenkrankheit oder trugen schwere Verbrennungen davon. Die 23-köpfige Besatzung eines mehr als hundert Kilometer entfernten japanischen Fischerboots wurde stark verstrahlt, was diplomatische Verstimmungen mit Japan verursachte.

Castle Romero,26. März 1954

Idaho Falls, Idaho, Vereinigte Staaten
29. November 1955 – In der National Reactor Testing Station Idaho erlitt der Forschungsreaktor EBR-I eine partielle Kernschmelze. Der Kern aus angereichertem Uran 235U in Verbindung mit 2% Zirconium schmolz bei Versuchen, die eine schnelle Steigerung der Leistung vorsahen, weil sich Brennstoffröhren verzogen. Durch Verdunstung des Kühlmittels NaK wurde der schmelzende Brennstoff in die Röhren des Kühlsystems transportiert und die Kritikalität unterschritten, wodurch sich der Reaktor selbst abschaltete. Der Reaktorkern war austauschbar angelegt und konnte ersetzt werden, Personen kamen nicht zu Schaden. (INES: 4)[4]

Kyschtym, Russland
29. September 1957 – Auch bekannt als Unfall von Majak. Die dortige Wiederaufarbeitungsanlage lagerte ihre Abfallprodukte in großen Tanks. Durch den radioaktiven Zerfall der Stoffe entsteht Wärme, weswegen diese Tanks ständig gekühlt werden müssen. Nachdem im Laufe des Jahres 1956 die Kühlleitungen eines dieser 250 m³ fassenden Tanks undicht geworden waren, und deshalb die Kühlung abgestellt wurde, begannen die Inhalte dieses Tanks zu trocknen. Ausgelöst durch einen Funken eines internen Messgerätes explodierten die enthaltenen Nitratsalze und setzten große Mengen an radioaktiven Stoffen frei (INES 6). Die Belastung der Gegend um Kyschtym, Russland entsprach nahezu der doppelten Menge des Tschernobyl-Unfalls. Da die Kontamination sich auf den Ural beschränkt, schlugen Messgeräte in Europa nicht Alarm (vergleiche Tschernobyl-Unfall), wodurch der Unfall 30 Jahre vor der Weltöffentlichkeit geheim gehalten werden konnte. (INES: 6) Hauptartikel Majak. Der nahegelegene Karatschai-See ist der am stärksten radioaktiv verschmutzte Ort der Erde.

Windscale bzw. Sellafield, Großbritannien
7. bis 12. Oktober 1957 – Im Kernreaktor Pile No. 1 in Windscale bzw. Sellafield nahe Liverpool heizten Techniker den Reaktor an, um die so genannte Wigner-Energie aus dem als Moderator dienenden Graphit zu glühen. Bei dem Reaktor handelte es sich um einen von zwei luftgekühlten und graphitmoderierten Reaktoren. Sie werden mit Uran betrieben und dienen dazu, Plutonium für Atomwaffen herzustellen. Die Reaktoren dieses Typs waren noch sehr primitiv und eher als Aufhäufung denn als Atomreaktor zu bezeichnen. Sie werden durch einen von riesigen Lüftern erzeugten Luftstrom gekühlt. Am Morgen des 7. Oktober 1957 wurde der Reaktor kontrolliert heruntergefahren und die Luftkühlung abgestellt. Der Reaktor wurde danach im unteren Leistungsbereich wieder angefahren. Die Techniker stellten einen Temperaturabfall anstelle eines Temperaturanstiegs fest. Um die Wigner-Energie schneller beseitigen zu können, wurde der Reaktor am nächsten Tag in einen nicht erlaubten Leistungsbereich gefahren. Die Techniker saßen allerdings einem Trugschluss auf: Im normalen Betrieb waren die Temperaturspitzen und die Messung derselben in ganz anderen Regionen als während des Ausglühens. In nicht kontrollierten Bereichen fing das Graphit deshalb an zu brennen. Das Feuer und der Rauch wurden nur am Anfang gefiltert - danach konnte die Radioaktivität nach außen gelangen. Blaue Flammen schlugen aus dem hinteren Bereich des Reaktors. 750 TBq gelangten in die Atmosphäre. Das Feuer brannte vier Tage und verbrauchte einen Großteil des Graphitmoderators. Den Technikern gelang es nicht, die 150 Kernbrennstäbe aus dem Reaktor zu ziehen. Stattdessen schlugen sie eine Feuerschneise, indem sie benachbarte Stäbe herauszogen. Als letzte Konsequenz wurde der Reaktor mit Wasser geflutet. Diese Flutung war sehr gefährlich, da das Wasser durch die hohe Temperatur zu Knallgas aufgespalten hätte werden können. Dies hätte zu einer Explosion geführt. Glücklicherweise erstickte das Wasser jedoch das Feuer. Einem Bericht zufolge konnten radioaktive Gase in die Atmosphäre entweichen. Diese waren vor allem Iod, Krypton und Xenon. Die Milcherzeugung in einem Gebiet von 520 km² wurde verboten. In den folgenden Jahren wurden Reaktor Nr. 1 und 2 abgeschaltet. Mit der völligen Stilllegung der abgeschalteten Reaktoren wurde 1990 begonnen, und erst 1999 beendet. Der Unfall wird später für Dutzende von Krebstoten verantwortlich gemacht. (INES: 5)

Los Alamos, New Mexico, Vereinigte Staaten 30. Dezember 1958 – Ein Kritikalitätsunfall ereignete sich bei der Extraktionsarbeit mit einer plutoniumhaltigen Lösung im Los Alamos Scientific Laboratory in New Mexico. Der Operator starb an akuter Strahlenkrankheit. Nach diesem Unfall wurde bei der Arbeit mit kritischen Massen in den USA endgültig zur Verwendung von Manipulatoren übergegangen. Bis dahin war trotz der Kritikalitätsunfälle in den 1940er Jahren Handarbeit im Umgang mit Plutonium verbreitet. (INES: 4)[5]

Simi Valley, Kalifornien, Vereinigte Staaten
26. Juli 1959 – Im Santa Susana Field Laboratory in Kalifornien, einem natriumgekühlten Schnellen Brüter mit 7.5MWe ereignete sich aufgrund eines verstopften Kühlkanals eine 30-prozentige Kernschmelze. Der Großteil der Spaltprodukte konnte abgefiltert werden. Die radioaktiven Gase wurden jedoch weitestgehend an die Umwelt freigesetzt, was in einer der größten Jod-131-Freisetzungen in der Nukleargeschichte mündete. Der Unfall wurde lange Zeit geheimgehalten. (INES: 5-6)[6][7]

Knoxville, Tennessee, Vereinigte Staaten
20. November 1959 – In der radiologisch-chemischen Fabrik Oak Ridge National Laboratory in Tennessee gab es während der Dekontamination der Arbeitsanlagen eine chemische Explosion. Es wurden insgesamt 15 Gramm 239Plutonium freigesetzt. Das Plutonium verursachte bei der Explosion eine erhebliche Kontaminierung des Gebäudes, der angrenzenden Straßen und den Fassaden von angrenzenden Gebäuden. Man glaubt, dass die Explosion durch den Kontakt von Salpetersäure mit Phenol-haltiger Dekontaminierungsflüssigkeiten ausgelöst wurde. Ein Techniker hatte vergessen, einen Verdampfer mit Wasser zu reinigen und so frei von Dekontaminierungsflüssigkeiten zu machen. Flächen, die nicht dekontaminiert werden konnten, wurden mit einer auffälligen Warnfarbe gekennzeichnet oder einbetoniert. Die Behörden von Oak Ridge begannen, im Umgang mit radioaktiv-chemischen Materialien ein Containment zu benutzen. Seither wurden keine weiteren Mitarbeiter verletzt. (INES: 3-4)

Idaho Falls, Idaho, Vereinigte Staaten
3. Januar 1961 – In der National Reactor Testing Station Idaho erlitt der experimentelle SL-1 Reaktor einen kritischen Vorfall mit einer Dampfexplosion und schwerer Freisetzung radioaktiven Materials, bei dem die dreiköpfige Bedienungsmannschaft getötet wurde. Mit Ausnahme von 131Iod blieb die Verbreitung der Strahlung auf eine Fläche von 12.000 m² begrenzt. Im Umkreis von 30 km um den Reaktor war die Kontamination der Vegetation durch 131Iod etwa 100 Mal so hoch wie die natürliche Strahlungsintensität. Selbst 80 km entfernt war die Belastung der Vegetation noch doppelt so hoch, unter anderem auch in einem Landschaftsstreifen entlang des Snake River nahe Burley und American Falls. Der Reaktor hatte manuell betätigbare Steuerstäbe. Das Bewegen eines einzigen Stabes könnte denDer SL-1 Reaktor bei seiner Entfernung von der National Reactor Testing Station Kritikalitätsvorfall ausgelöst haben. Es war bekannt, dass sich die Stäbe im leichten Aluminiumgehäuse verklemmen konnten. Einige Ermittler glaubten, dass eine solche Stange feststeckte und sich plötzlich löste, was den Unfall ausgelöst haben soll. Die Ermittler haben nie herausgefunden, warum der Stab entfernt wurde. Ein Bediener wurde von einem Steuerstab an der Decke aufgespießt gefunden. Der Stab wurde anscheinend vom Dampfdruck herausgeschleudert. Der Reaktorkern bestand aus hoch angereichertem Uran (ca. 50 %). Das schnelle Herausziehen des Steuerstabs führte damit zu einer superschnellen Kettenreaktion (Leistungs-Exkursion), welche die Dampfexplosion auslöste. Der Unfall wurde von Arbeitern entdeckt, die sich außerhalb des Reaktorgebäudes befanden, als Strahlungs- und Übertemperaturalarm die Rettungskräfte alarmierte. Diese fanden Dosisleistungswerte, die noch hundert Meter vom Reaktorgebäude entfernt 2 mSv/h überschritten. Die Rettungsmannschaft konnte zuerst weder ein Feuer noch die Opfer finden, aber sie fand Strahlungswerte von etwa 10 mSv/h innerhalb des Reaktorgebäudes. Als geeignete Schutzausrüstung eingetroffen war, drang ein Team in das Reaktorgebäude ein und fand einen Toten und ein weiteres Mitglied der dreiköpfigen Bedienmannschaft noch lebend. Er wurde sofort geborgen, starb aber wenige Stunden später an akuter Strahlenkrankheit. Der Tote wurde am folgenden Tag, das zunächst vermisste Mitglied der Reaktorbesatzung erst Tage später geborgen. Von den Rettungskräften erhielten laut einem Bericht der Atomenergiekommission der USA 22 eine Äquivalentdosis in der Größenordnung von 30 bis 270 mSv. Der Reaktor wurde demontiert und der 12 t schwere Reaktorkern und das Druckgefäß einige Monate später entfernt. (INES: 4)

Charlestown, Rhode Island, Vereinigte Staaten
24. Juli 1964 – In einer Fabrik für nukleare Brennelemente in Charlestown starb ein Mann an einer tödlichen Strahlendosis, als eine flüssige Uranlösung, mit der er hantierte, kritisch wurde. (INES: 4)[8]

Belojarsk, Sowjetunion
1964-1979 – Von 1964 bis 1979 ereignete sich eine Serie von Zerstörungen an Brennstoffkanälen in Reaktor 1 des Belojarsker KKW. Bei jedem dieser Unfälle wurde das Personal einer erheblichen Strahlenbelastung ausgesetzt. (INES: 4)[9]

Melekess, nahe Nischnii Nowgorod (Gorki), Sowjetunion
7. Mai 1966 – In einem experimentellen Siedewasserreaktor ereignete sich eine Leistungsexkursion durch schnelle Neutronen. Der Operator und der Schichtleiter erhielten hohe Strahlendosen. (INES: 3-4)[10]

Monroe, Michigan, Vereinigte Staaten
5. Oktober 1966 – Aufgrund einer Fehlfunktion des Natrium-Kühlsystems im Enrico Fermi demonstration nuclear breeder reactor (schneller Brüter) am Ufer des Eriesees kam es zu einer partiellen Kernschmelze, bei der keine Strahlung aus dem Containment austrat. Der Reaktorkern enthielt 105 aus zirconium-verkleideten Stiften bestehende Brennelemente. Der Unfall wird einem Stück Zirkonium zugeschrieben, das einen Flussregler im Natrium-Kühlsystem blockierte. Das Reaktorgebäude wurde durch Sensoren automatisch isoliert, kein Personal war zu diesem Zeitpunkt im Gebäude. Mitarbeitern gelang es, den Reaktor manuell abzuschalten. Zwei der 105 Brennelemente schmolzen, aber außerhalb des Containments wurde keine Strahlung gemessen. Es wurde aber noch Wochen später eine Rekritikalität befürchtet. Der 60-MWe-Reaktor lief im Oktober 1970 wieder mit voller Leistung. Dieser Vorfall lieferte die Grundlage für die umstrittene Polemik We Almost Lost Detroit von John G. Fuller. (INES: 4)

Lucens, Schweiz
21. Januar 1969 – Beim Versagen des Kühlsystems eines experimentellen Reaktors im Versuchsatomkraftwerk Lucens (VAKL) im Kanton Waadt gab es im Reaktor (der ähnlich wie der NRX-Reaktor aufgebaut war) eine partielle Kernschmelze. Anfang des Jahres 1968 gab es eine Prüfung des 8 MW Strom produzierenden Reaktors. Im April/Mai wurde er in Betrieb genommen, allerdings anschließend bis Januar des nächsten Jahres wieder abgeschaltet. Während dieses Stillstandes lief externes Wasser über eine defekte Gebläse-Dichtung in den Kühlkreis des Reaktors. Die aus Magnesium bestehenden Brennstab-Umhüllungsrohre korrodierten. Als der Reaktor im Januar 1969 wieder in Betrieb genommen wurde, behinderten die Korrosionsprodukte die Kühlung. Der Brennstoff überhitzte und mehrere Brennstäbe schmolzen. Ein ganzes Bündel Brennstäbe geriet in Brand und brachte den Moderatortank zum Bersten. Kohlendioxid (Kühlmittel) und Schweres Wasser (Moderator) traten in die Reaktorkaverne aus. Da die erhöhte Radioaktivität bereits etwas früher gemessen wurde, konnte das Kraftwerk evakuiert und die Kaverne isoliert werden. Es wurde eine größere Menge Strahlung in die Fels-Reaktorkaverne freigesetzt. Die radioaktiven Trümmer konnten erst Jahre später aus dem Stollensystem geräumt werden. Die Kaverne enthielt nach wie vor eine Menge radioaktiven Materials, wurde aber so verschlossen, dass vorerst keine Strahlung in die Umwelt gelangen konnte. Die Aufräumarbeiten dauerten bis Mai 1973. Die Trümmer wurden in versiegelten Behältern auf dem Gelände gelagert, bis sie 2003 ins zentrale Zwischenlager in Würenlingen (ZWILAG) abtransportiert wurden. (INES: 4-5)

Rocky Flats, Colorado, Vereinigte Staaten
11. Mai 1969 – In einem Container mit 600 t feuergefährlichem Material kam es zu einer spontanen Entzündung von Plutonium. Das Feuer verbrannte 2 t des Materials und setze Plutoniumoxid frei. Durch die Entnahme von Bodenproben im Umfeld der Anlage stellte man fest, dass die Gegend mit Plutonium kontaminiert wurde. Da sich die Betreiber der Anlage weigerten, Untersuchungen einzuleiten, wurden die Proben im Rahmen einer nicht offiziellen Untersuchung entnommen. (INES: 4-5)[11]

Windscale bzw. Sellafield, Großbritannien

1973 – In der Wiederaufarbeitungsanlage kam es in einem Behälter zu einer exothermen Reaktion. Hierdurch wurde ein Teil der Anlage radioaktiv kontaminiert. Auf Grund der Kontamination wurde dieser Unfall mit INES 4 eingestuft[12].

Leningrad, Sowjetunion
6. Februar 1974 – Aufgrund kochenden Wassers ereignete sich ein Bruch des Wärmetauschers im Block 1 des Leningrader KKW. Drei Menschen starben. Hochradioaktives Wasser aus dem Primärkreislauf zusammen mit radioaktivem Filterschlamm wurden in die Umwelt freigesetzt. (INES: 4-5)[13]

Leningrad, Sowjetunion
Oktober 1974 – Im Oktober 1974 ereignete sich eine teilweise Zerstörung des Reaktorkerns in Block 1 des Leningrader KKW. Der Reaktor wurde abgeschaltet. Am nächsten Tag wurde der Kern gereinigt, indem eine Notreserve Stickstoff hindurchgepumpt und durch den Abluftschornstein abgeblasen wurde. Dabei wurden ca. 1.5 Megacurie (55 PBq) an radioaktiven Substanzen an die Umwelt abgegeben. (INES: 4-5)[14]

Greifswald, Deutschland (DDR)
7. Dezember 1975 – Ein Elektriker im Kernkraftwerk Greifswald wollte einem Lehrling zeigen, wie man elektrische Schaltkreise überbrückt. Dabei kam es zu einem Kurzschluss auf der Primärseite des Block-Trafos des Blocks 1, durch den entstehenden Lichtbogen brach ein Kabelbrand aus. Das Feuer im Hauptkabelkanal zerstörte die Stromversorgung und die Steuerleitungen von 5 Hauptkühlmittelpumpen (6 sind für einen Block in Betrieb). Eine Kernschmelze hätte drohen können, da Reaktor 1 nicht mehr richtig gekühlt werden konnte. Das Feuer konnte jedoch durch die Betriebsfeuerwehr schnell unter Kontrolle gebracht und die Stromversorgung der Pumpen provisorisch wieder hergestellt werden. Der Fall wurde erst nach der Wende 1989 im Fernsehen publik gemacht. Durch sowjetische Stellen wurde bereits wenige Stunden nach dem Zwischenfall die IAEO informiert, die diesen später in INES 3 (Vorläufer zu einem Unfall, hier einem "Station-Blackout"-Schmelzszenario) einstufte.

Belojarsk, Sowjetunion
1977 – Bei einem Unfall schmolzen 50% der Brennstoffkanäle des Block 2 vom Belojarsker KKW, einem Druckröhrenreaktor ähnlich dem RBMK. Die Reparatur dauerte etwa ein Jahr. Das Personal wurde hohen Strahlenbelastungen ausgesetzt. (INES: 5)[15]

Jaslovské Bohunice, Tschechoslowakei
Februar 1977 – In dem mit einem Druckröhrenreaktor ausgestatteten ersten slowakischen Kernkraftwerk Bohunice A-1 kam es zu einem Unfall: Beim Beladen mit frischen Brennelementen überhitzten einige davon, die Reaktor-Kreisläufe wurden kontaminiert (INES: 4). Der Reaktor wurde nach dem Unfall stillgelegt.[16]

Belojarsk, Sowjetunion
31. Dezember 1978 – Im Turbinenhaus des Block 2 vom Belojarsker KKW stürzte eine Deckenplatte auf einen Turbinenöltank und verursachte einen Großbrand. 8 Personen erlitten hohe Strahlendosen beim Organisieren der Reaktornotkühlung. (INES: 3-4)[17]

Three Mile Island, Pennsylvania, Vereinigte Staaten
28. März 1979 – In einem Kernkraftwerk bei Harrisburg führten Versagen von Maschinenteilen und Messsignalen sowie Bedienungsfehler der Mannschaft zum Ausfall der Reaktorkühlung, wodurch es zur partiellen Kernschmelze (50 % des Kerns) und Freisetzung von 90 TBq an radioaktiven Gasen kam. Dieser Unfall ist bis heute der schwerste in einem kommerziellen Reaktor in den USA und wurde von der IAEO mit INES 5 eingestuft.

Saint-Laurent, Frankreich
1980 - Durch Teil-Schmelzen einiger weniger Brennelemente kam es zur Verstrahlung des Reaktorgebäudes (INES: 4)[18]. Die beiden ersten in St. Laurent gebauten Reaktoren waren graphitmoderiert und gasgekühlt. Die Notkühlung erfolgte deshalb nicht mit Wasser, sondern mit aus der Werksumgebung angesaugter Luft. Der Reaktor wurde nach Reparaturen noch eine Zeitlang weiterbetrieben. Heute laufen in St. Laurent nur noch zwei Druckwasser-Reaktoren.

Sequoyah, Tennessee, Vereinigte Staaten
11. Februar 1981 – Ein neuer Arbeiter öffnete versehentlich ein Ventil und mehr als 410.000 Liter radioaktive Kühlflüssigkeit flossen in das Reaktorgebäude des Tennessee Valley Authority Sequoyah 1 Atomkraftwerk. Acht Arbeiter wurden kontaminiert. (INES: 2-3)

Tsuruga, Japan
Januar-März 1981 – 278 Arbeiter wurden während Reparaturarbeiten im Kernkraftwerk Tsuruga, Japan Radioaktivität ausgesetzt. (INES: 2)

Tschernobyl, Ukraine
September 1982 – Im Block 1 des KKW Tschernobyl wurde durch Fehler des Personals ein Brennstoffkanal in der Mitte des Reaktors zerstört. Eine große Menge radioaktiver Substanzen wurden über den industriellen Bereich der Kernkraftanlage und die Stadt Pripyat verteilt. Das Personal, das mit der Liquidation der Konsequenzen dieses Unfalls beschäftigt war, erhielt hohe Strahlendosen. (INES: 5)[19]

Buenos Aires, Argentinien
1983 - Durch das Vernachlässigen von Sicherheitsregelungen starb ein Operator während einer Modifikation des Reaktorkerns. Er befand sich nur wenige Meter entfernt und wurde mit ca. 20 Gy verstrahlt (INES: 4)[20].

Wladiwostok, Sowjetunion
August 1985 – In der Chazhma-Bucht nahe Wladiwostok ereignete sich ein ernster Unfall beim Brennelementwechsel eines atomgetriebenen U-Bootes. Beim Wiederaufsetzen des Reaktordeckels kam es durch unsachgemässe Handhabung zu einer spontanen Kettenreaktion. Das Kühlwasser verdampfte schlagartig und der Reaktorkern wurde von der Explosion auf den Pier geschleudert. 10 Menschen starben, vorab durch Neutronenstrahlung, 29 wurden relativ stark verstrahlt. (INES: 5)[21]

Gore, Oklahoma, Vereinigte Staaten
6. Januar 1986 – In der Wiederaufarbeitungsanlage Kerr-McGee in Gore, Oklahoma zerbrach ein Zylinder mit nuklearem Material nach unzulässiger Erhitzung. Ein Arbeiter starb, 100 mussten ins Krankenhaus eingeliefert werden. (INES: 2-4)

Tschernobyl, Ukraine
26. April 1986 – Bei einem so genannten Super-GAU (INES: 7) im Kernkraftwerk Tschernobyl in der Ukraine kam es zu einer Kernschmelze und in deren Folge zu Explosionen. Große Mengen Radioaktivität wurden durch Freilegung und Brand des Reaktorkernes freigesetzt, die unmittelbare Umgebung wurde verstrahlt und darüber hinaus gab es zahlreiche direkte Strahlenopfer unter den Hilfskräften. Der sogenannte Super-GAU konnte durch Radioaktivitätsmessungen und Fallout in Schweden und anderen europäischen Ländern nachgewiesen werden. Es wurde ein großräumiges Sperrgebiet eingerichtet und das Gebiet evakuiert. Die Anzahl der geschädigten Personen schwankt je nach Studie erheblich. Dass der Unfall bisher (gemäß IAEO) unerwartet wenig Opfer forderte, ist teils darauf zurückzuführen, dass der heftige Graphitbrand große Teile der Radioaktivität direkt und hoch in die Atmosphäre hinauf beförderte sowie der Wind vor der Evakuierung größerer Städte wie Pripjat weitgehend in Richtung bevölkerungsschwächerer Regionen blies.

La Hague, Frankreich
21. Mai 1986 – In der französischen Wiederaufarbeitungsanlage La Hague wurden 5 Arbeiter bei einem Unfall verstrahlt[22]. (INES: 2-3)

Decatur, Georgia, Vereinigte Staaten
6. Juni 1988 – Die Firma Radiation Sterilizers in Decatur, Georgia berichtete vom Verlust von 137Caesium. 70.000 Behälter mit medizinischen Artikeln und Milchpackungen wurden zurückgerufen. Zehn Arbeiter werden kontaminiert, drei davon so schwer, dass sie durch die Kontaminationsverschleppung wiederum ihre Pkw und Häuser kontaminieren. (INES: 2-3)[23]

Vandellós 1, Spanien
1989 - Durch ein Feuer im Kernkraftwerk Vandellós wurden die Sicherheitssysteme stark in Mitleidenschaft gezogen. Es kam aber zu keinem schwereren Unglück, der Vorfall wurde mit INES 3 (Ernster Störfall) eingestuft[24]. Vandellos 1 wurde in der Folge durch politischen Entscheid der spanischen Regierung definitiv stillgelegt.

Sewersk, Russland
6. April 1993 – In einer sibirischen Wiederaufarbeitungs-Anlage (vor allem genutzt für die Produktion von waffenfähigem Plutonium) wurden durch einen Unfall große Mengen kurzlebiger radioaktiver Stoffe freigesetzt. In Folge wurden einhundert Quadratkilometer im Gebiet Sewersk (auch als Tomsk-7 bekannt) verseucht. (INES: 2-4)[25]

To-kai-mura, Japan
30. September 1999 – In einer Brennelemente-Fabrik in To-kai-mura, Japan befüllten Arbeiter einen Vorbereitungstank mit 16,6 kg Urangemisch (anstatt den vorgeschriebenen 2,3 kg). Daraufhin setzte eine unkontrollierte Kettenreaktion ein und Strahlung trat aus. Die Zahl der verstrahlten Menschen wird mit 35 bis 63 angegeben. Drei Arbeiter wurden einer besonders hohen Radioaktivität von bis zu 17 Sievert ausgesetzt. Ca. 300.000 Anwohner wurden aufgefordert ihre Häuser nicht zu verlassen. Dieser Unfall wurde zuerst mit INES 4 bewertet, später dann auf INES 5 hochgestuft.[26][27]

Paks, Ungarn
10. April 2003 – Beim Reinigen von Brennstäben im Block 2 des Kernkraftwerkes Paks wurde deren Umhüllung beschädigt. Dabei trat radioaktives Gas aus, das einen „Ernsten Störfall“ (INES-Kategorie 3) verursachte. Es wurde niemand bei diesem Unglück verletzt. Die Messsonden in der Umgebung registrierten jedoch Edelgasbelastungen über den Grenzwerten.

Windscale bzw. Sellafield, Großbritannien
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19. April 2005 – Nach dem schweren Unglück von 1957 und dem Unfall von 1973 gab es 2005 in Sellafield einen weiteren Zwischenfall (INES 3). Nach über 7 Monaten wurde ein Leck in der Wiederaufbereitungsanlage entdeckt, durch das ca. 83.000 Liter einer radioaktiven Flüssigkeit, bestehend aus Schwefelsäure, Uran und Plutonium, austraten. Die betroffene Halle wurde massiv verstrahlt, so dass ferngesteuerte Maschinen die Entsorgung der Flüssigkeit vornehmen mussten.[28]

Fleurus, Belgien
11. März 2006 – Ein Mitarbeiter wurde in einer Anlage der Firma Sterigenics, die Kobalt-60-Quellen nutzt, um medizinische Geräte zu sterilisieren, mit etwa 4,6 Gy verstrahlt und musste medizinisch behandelt werden. Der Mitarbeiter betrat ohne Messgerät die Bestrahlungszelle für eine kurze Überprüfung, als die Anlage nicht aktiv war. In diesem Zustand sollten sich die Quellen eigentlich in einem Wassertank befinden. Anscheinend waren sie aber wegen eines hydraulischen Fehlers teilweise freigelegt (INES 4).

Spanien
23. Oktober 2007 - Die Firma SGS Tecnos, S.A. meldete die Verstrahlung eines Mitarbeiters. Dieser war mit den Vorbereitungen für eine Bestrahlung beschäftigt und übersah die visuellen Warnsignale der fest installierten Strahlenüberwachungs-Geräte, die eine überhöhte Strahlung anzeigten. Die beiden tragbaren Geräte, die ebenfalls visuell und zusätzlich akustisch hätten warnen sollen, versagten. Insgesamt wirkten 718 mSv aus einer Kobalt-60-Quelle während einer Zeitspanne von 10 bis 15 Minuten auf den Mitarbeiter ein. Die IAEA stufte dieses Ereignis mit INES 3 ein[29].


Quellen:

   1.  The Atomic Heritage Foundation Accidents in the Manhattan Project
   2.  The Atomic Heritage Foundation Accidents in the Manhattan Project
   3.  Peter Jedicke: The NRX Incident, 1. Mai 2006
   4.  Argonne National Laboratory: Brief History
   5.  http://www.lutins.org/nukes.html
   6.  California Energy Commission: Nuclear Plants in California, 1. Mai 2006
   7.  http://www.lutins.org/nukes.html
   8.  http://www.lutins.org/nukes.html
   9.  Prof.Dr. M.V. Malko: The Chernobyl Reactor: Design Features and Reasons for Accident [1]
  10.  Prof.Dr. M.V. Malko: The Chernobyl Reactor: Design Features and Reasons for Accident [2]
  11.  nuclearfiles.org: Accidents 1960's, 18. Mai 2006
  12.  IAEO: Internationale Bewertungsskala für nukleare Ereignisse. 21. Mai 2006.
  13.  Prof.Dr. M.V. Malko: The Chernobyl Reactor: Design Features and Reasons for Accident [3]
  14.  Prof.Dr. M.V. Malko: The Chernobyl Reactor: Design Features and Reasons for Accident [4]
  15.  Prof.Dr. M.V. Malko: The Chernobyl Reactor: Design Features and Reasons for Accident [5]
  16.  Úrad jadrového dozoru Slovenskej republiky (Slovak Nuclear Regulatory Authority): Annual report 2000. 8. August 2007.
  17.  Prof.Dr. M.V. Malko: The Chernobyl Reactor: Design Features and Reasons for Accident [6]
  18.  IAEA: Internationale Bewertungsskala für nukleare Ereignisse, 21. Mai 2006
  19.  Prof.Dr. M.V. Malko: The Chernobyl Reactor: Design Features and Reasons for Accident [7]
  20.  IAEA: Internationale Bewertungsskala für nukleare Ereignisse, 21. Mai 2006
  21.  Prof.Dr. M.V. Malko: The Chernobyl Reactor: Design Features and Reasons for Accident [8]
  22.  nuclearfiles.org: Accidents 1980's, 18. Mai 2006
  23.  Nuclear Regulatory Commission: Recent safety-related incidents at large irradiators
  24.  IAEA: Internationale Bewertungsskala für nukleare Ereignisse, 21. Mai 2006
  25.  DIW Berlin: Nukleare Umweltgefaehrdung in Russland, 26. Februar 2007
  26.  Projekt der University of Southern California zum Unfall in To-kai-mura
  27.  IAEA: Report on the Preliminary Fact Finding Mission Following the Accident at the Nuclear Fuel Processing Facility in Tokaimura.
       15. November 1999
  28.  ask1.org: Windscale / Sellafield – Strahlendes Beispiel Großbritannien, 18. Mai 2006
  29.  iaea.org: Detail-Seite der INES Meldung, 16. Januar 2007