Ein Nachwort zu 'Geisterstadt' und 'Land der Wölfe'
Zwei Geschichten über Tschernobyl mit Fotos. 'Geisterstadt' stammt aus den Jahren 2003 und 2004, 'Land der Woelfe' von 2005.
Für 'Geisterstadt' werde ich seit dem Tag, an dem die Seite online ging, attackiert. Viele schätzen meine Bemühungen nicht. Tschernobyl ist ein Desaster, an das wir uns nicht erinnern wollen; es ist von Menschen gemacht, und es wird niemals enden.
2004 gehörte meine Seite über Tschernobyl zu den meistbesuchten Seiten im Internet. Damals wurde mein Internetzugang blockiert; Zeitungen auf der ganzen Welt schrieben über mich und meine Seite, sie sei ein kommerzieller Trick, Computerspielwerbung, mit Photoshop gefälscht und so weiter. Ich hatte offenbar einen wunden Punkt getroffen, und darauf bin ich stolz. Durch diese Erfahrung wurde mir klar, dass jemand, der die Wahrheit sagen will, auch dazu stehen können muss. Ich machte mich daran und schrieb die zweite Geschichte, 'Land der Wölfe'.
Die Kernenergie verspricht enorme Profite. Mit gerade einmal 1 kg veredeltem Uran kann man dieselbe Menge Energie produzieren, wie mit 50 randvoll gefüllten Güterwagen Kohle (3000 Tonnen). Veredeltes Uran hat also gegenüber Kohle ungefähr einen Vorteil von 3,000,000 : 1 im Transportgewicht. Natürlich zieht diese mächtige, millionenschwere Politiker und Geschäftemacher an, deren einziges Interesse es ist, 'die Kuh zu melken' und denen die Reaktorsicherheit oder die Gesundheit der Menschen egal ist. Letztendlich kommt anstelle von Milch nur Blut dabei raus.
Wie sehr sie auch versucht haben, meine Seite in Mißkredit zu bringen - sie ist immer noch da, und mehr und mehr Menschen lesen sie.
Ich bin keine Nuklearaktivistin, weder für noch gegen Atomkraft. Ich bin nur für Menschen, und ich denke, dass Tschernobyl als Warnung an die Menschheit verstanden werden sollte.
Ich bin nicht der Meinung, dass das Atom an sich etwas schlechtes ist. Es wird nur schlecht, wenn es in menschliche Hände gelangt. Unter den richtigen Voraussetzungen kann die Atomenergie der Menschheit nützen, unter der Voraussetzung, dass es keine Kriege gibt und wenn sie nicht in den Händen von Kommunisten, Islamisten oder Kapitalisten ist. Das Problem dabei ist jedoch, dass die Existenz der Nationen aus nichts anderem als Kriegen und Tumulten besteht. Die Jahre des Friedens sind nur eine kurze, zufällige Pause. Die Kommunisten, Islamisten und Kapitalisten sind immer die ersten, welche die Atomenergie besitzen möchten. ES SIND DIE UNENTSCHULDBAREN FEHLER IN DER MENSCHLICHEN SCHÖPFUNG, WELCHE DIE REAKTOREN GEFÄHRLICH MACHEN!
Mein Interesse an Tschernobyl begann 1992, als ich zum ersten Mal durch weißrussische Dörfer nördlich des Reaktors reiste. Ich war jung, und ich war beeindruckt. Was mich am meisten berührte, war die finstere Schönheit dieser Orte; eine Schönheit, die andere nicht sahen.
'Hotspot', wie man zum Beispiel den Ort Vilcha nennt, ist ein gebräuchlicher Begriff für die Gegenden, die durch Strahlung aus Tschernobyl verseucht wurden. 60 Curie Caesium wurden hier 1991 gemessen. 0,7 Curie pro Quadratkilometer war die Strahlung, von radioaktiven Plutoniumisotopen. Strontium-Strahlung wurde mit 15 Curie/qkm gemessen. Nach Tschernobyl-Standards ist Vilcha ein typischer Hotspot. Curie ist alte, aber noch gebräuchliche Einheit für die Aktivitïät.
Auf der Seite über den Roten Wald habe ich einen Witz gemacht, als ich sagte, ich würde im Dunkeln leuchten. Strahlung ist nicht sichtbar. Es ist nur unser gebräuchlicher Ausdruck. Extrem hohe Strahlung kann man in manchen Videos sehen, je nach Art des verwendeten Filmmaterials. Sie erscheint in Form kleiner Lichtblitze. Auf dem Video "Der letzte Tag von Pripjat" ist dies zu sehen. Der Autor dieses Films, Michail Nazarenko, war gerade dabei, einen Film über Kernkraftwerke zu drehen und war zufällig in Pripjat. Er filmte auch die Evakuierung.
Nach offiziellen Angaben soll das Strahlungsniveau in Pripyat während der Evakuierung 1 Röntgen pro Stunde erreicht haben. Einige sprechen aber von 7 Röntgen. Das ist schon ein Unterschied. Denn im ersten Fall wären die Leute erst nach zwei oder drei Monaten gestorben, im zweiten Fall jedoch bereits nach ein paar Tagen. Ich glaube jedoch, dass beides stimmt. Weil am Tage des Fall-outs, die Radioaktivität am Boden und auf der Strasse weitaus höher war als auf Kopfhöhe.
Meine Geschichten sind Aufzeichnungen davon, wie ich Tschernobyl siebzehn bis neunzehn Jahre nach dem Unfall sah. Deshalb habe ich die Informationen zum Strahlungslevel, die Zahl der dort lebenden Menschen etc. nicht aktualisiert.
Ein paar Fotos stammen von anderen Seiten. Ich habe sie mit Erlaubnis des jeweiligen Autors verwendet. Ich danke allen, die mir bei der Arbeit an dieser Seite geholfen haben und allen, die immer noch helfen.
Der "Geisterstadt"-Song ist ein besonderes Geschenk für mich von dem Musikduo Huns and Dr. Beeker.
Der wissenschaftliche Teil des Textes, der sich mit der Radioaktivität von Americium beschäftigt, ist unglaublich komplex, und ist daher fast unmöglich zu verstehen.
Die folgende Grafik zeigt den ungefähren Verfallsprozeß von Plutonium 241, was wiederum zu einem Anstieg von Americium 241 führt. Die Masse wird vertikal angezeigt, die Zeit horizontal.
Das Foto des 'Elefantenfußes' ist leider in schlechter Qualität, weil alle Aufnahmen dieses Phänomens per Fernsteuerung gemacht werden. Kein Mensch betritt dieses Raum, weil die Strahlung etwa 10.000 Röntgen pro Stunde beträgt.
Der 'Elefantenfuß' ist zwar die größte Formation, aber dennoch nur ein kleiner Teil des gesamten nuklearen Brennstoffs, der sich im Reaktor befand. Die Explosion drückte den Reaktorboden nach unten, und geschmolzener Brennstoff floß aus dem Reaktorbehälter in die Räume und Korridore unter dem Reaktor. Auf diese Art ist der Reaktor leer und der Brennstoff nicht an einem Ort konzentriert. Das ist in gewisser Weise gut, denn die Chance, dass eine neue Kettenreaktion in Gang gesetzt wird, ist dadurch verringert. Das Bild unten macht es leichter zu verstehen. wie der Reaktor aufgebaut war und wo sich der Brennstoff nun befindet.
Die radioaktive Magma sieht aus wie Glas, weil der Brennstoff sich mit dem Sand vermischt hat, der üblicherweise den Reaktor umschloß.
Falls jemand mehr darüber wissen will kann er hier klicken , um ein Video zu sehen, das tief im Untergeschoß des Reaktors N4 aufgenommen wurde und das den 'Elefantenfuß' zeigt.
Wieviel Brennstoff noch im Sarkophag verblieben ist, wird von Wissenschaftlern diskutiert. Es ist schwer, alle Räuume und Korridore zu erforschen, weil die Strahlungswerte 1000 Röntgen und mehr pro Stunde erreichen können. Die Wissenschaftler rennen, wenn sie derart verstrahlte Orte passieren müssen. Strahlung von 1000 Röntgen pro Stunde tötet einen Menschen in einer Stunde. Schutzanzüge bringen hier nichts mehr. Es gibt kein Mittel, das einen Menschen vor derart starker Strahlung schützen könnte.
Bis zu jenem schicksalhaften 26. April 1986 war das Kraftwerk von Tschernobyl ein Erfolg. Seine Energieerzeugung übertraf alle Erwartungen, und seine Sicherheitsaufzeichnungen waren tadellos. Der Chefingenieur, der den Reaktor entworfen hatte, prahlte, dieser sei so sicher, dass½ man ihn auf dem Roten Platz in Moskau bauen könnte.
Das Kraftwerk von Tschernobyl versorgte zwei Millionen Menschen mit Elektrizität. Nachts war die beste Zeit, um Tests durchzuführen, weil dann der Energieverbrauch am niedrigsten war. An dem Tag, für den der Sicherheitstest festgesetzt worden war, ging das Personal so ruhig wie sonst auch zur Arbeit. Mit dem Test sollte herausgefunden werden, wie der Reaktor bei einem Spannungsabfall in der Stromversorgung reagiert. Was man jedoch nicht verstand, war, wie instabil ihr sowjetisches Reaktordesign werden konnte, wenn er bei niedriger Spannung betrieben wurde. Alle Reaktoren arbeiten nach folgendem Prinzip: In der Gegenwart des Uranbrennstoffs spalten Neutronen die Uranatome auf. Dies nennt sich eine selbsterhaltende Kettenreaktion. Die Energie, die dabei frei wird, erhitzt den Brennstoff. Wasser zirkuliert über diesem und wird durch die Hitze zu Dampf, welcher wiederum eine Turbine antreibt, die die Elektrizität erzeugt. Das Wasser kondensiert und wird wieder zur Kühlung des Reaktors eingesetzt.
Im Tschernobyl-Reaktor befand sich das Uran in 1.700 separaten Röhren, welche von Graphit-Blöcken umgeben waren. Der Graphit dient zur Steuerung der Kettenreaktion. Kontrollstäbe absorbieren Neutronen und verlangsamen dadurch die Kettenreaktion. Werden sie aus dem Kern herausgezogen, so erhöht sich die Kraft der Kernspaltung, werden sie abgesenkt, so vermindert sie sich. Aus Sicherheitsgründen müssen jedoch immer mindestens 30 Kontrollstäbe im Kern verbleiben. Das ist absolute Vorschrift. Damit soll verhindert werden, dass ihre Kapazität zur Energierzeugung überschritten wird. Denn die Kontrollstäbe müssen dann auch imstande sein, die Kettenreaktion wieder zu unterdrücken. Diese 30 Stäbe befinden sich in einem Bereich, in dem sie die größte Wirkung auf die Energierzeugung des Kernreaktors haben. Außerdem absorbiert das abgekühlte Wasser zusätzlich Neutronen und hilft, das Tempo der Kettenreaktion zu verzögern. Die Gefahr dieses Reaktortyps besteht nun darin, dass der Reaktor außer Kontrolle geraten kann, wenn Wasser verloren geht oder verdampft. Die infolgedessen zusätzlich freiwerdenden Neutronen können die Kettenreaktion wieder beschleunigen. Und genau das geschah 1986 im Reaktor Nr.4 von Tschernobyl.
Nach dem Bruch der unteren Wasserversorgungsleitungen, die kühlendes Wasser in das Innere des Reaktorkerns befördern sollten, blieb der Atomreaktor völlig ohne Wasser. Zuerst traten in den Treibstoffkanälen des Reaktors Explosionen auf, weil sich dort der Druck massiv erhöhte. Wie viele Dampfexplosionen es dort gab, ist unklar. Einige sagen, es seien drei oder mehr gewesen, bis es schließlich nach einer Gasexplosion im Kerninneren zu der schrecklichen Detonation kam.
Zur Explosion kam es vor allem durch eine Kombination der
folgenden Ursachen:
1) Es waren nur wenige Kontrollstäbe
(möglicherweise weniger als zehn) zur Zeit des Unglücks im Reaktor, was
eine Reduktion der Reaktoraktivität verhinderte.
2) Die Kontrollstäbe
senkten sich nur langsam in den Kern -die Beschleunigung entsprach nur
etwa einem Viertel der Fallgeschwindigkeit (g/4)- anstatt so schnell
wie möglich einzufahren.
3) Um Geld zu sparen, war die Spitze der
Kontrollstäbe (ein Meter) aus GRAPHIT! Das führte beim Einfahren der
Kontrollstäbe zu einem sofortigen Anstieg der Reaktorleistung, dem etwa
eine Zwanzigstelsekunde lang nicht entgegengewirkt werden konnte.
Neben anderen Defekten, Fehlern und Schwachstellen wäre noch zu erwähnen, dass eine Druckschale fehlte, die eine ähnliche Katastrophe auf Three Miles Island in den Vereinigten Staaten verhinderte. Den Sowjets wurde oft gesagt, dass Atomkraftwerke ohne Druckschale gefährlich seien, aber sie bauten weiter Kraftwerke ohne, weil dies die Baukosten um 30% senkte.
Nach der Explosion war die einzige Möglichkeit, die Kettenreaktion zu stoppen, die Bombardierung des Reaktorkerns mit Neutronenabsorbierern und anderen Chemikalien aus Helikoptern. Viele der tapferen Piloten starben bald darauf. Ihre Fotos und Videos haben überlebt. Hier klicken, um ein Video aus einem der Helikopter zu sehen.
Verpassen Sie nicht das sechs Minuten lange Video von Wladimir Schewtschenko, das 'Chronik schwerer Tage' heißt.
Hier finden Sie ein Video, das 'Bioroboter' bei der Arbeit zeigt, am Ende der Reinigung des Reaktordaches.
Unten sind Fotos unserer Milliröntgen-Parade zum 1. Mai. Es war wahrscheinlich die einzige Parade, an der keine Parteibosse mit ihren Familienmitgliedern teilnahmen. Zu allen Zeiten ist es wahr: die Passagiere erster Klasse verlassen das sinkende Schiff zuerst. Die Familien der Parteibosse hatten Kiew am 26. April verlassen, sowie sie von der Explosion im Kraftwerk erfahren hatten.
Niemand wurde dafür bestraft, dass den Menschen die Wahrheit verschwiegen wurde.
Bestraft wurden nur die Leute aus dem Atomkraftwerk. Hier Fotos vom Gerichtsverfahren. Eine Gruppe von sechs Angestellten des Kraftwerks wurde zu Strafen zwischen zwei und zehn Jahren verurteilt. Nur der stellvertretende Chefingenieur gab seine Schuld zu. Er sagte: 'Ich war schuld, aber auch das System.'
1991 brach die Sowjetunion zusammen. Seitdem haben sich einige Dinge geändert: Kommunisten wurden zu Demokraten, Komsomolführer wurden Geschäftsmänner, Richter und Staatsanwälte wurden Minister. Was wurde aus den Menschen, die ihren Anführern geglaubt hatten und hinausgingen, um das Gebiet um den Reaktor zu reinigen? Jetzt weiß jeder von ihnen, alleingelassen mit seinem Krebs, dass er sterben wird - und dass nach seinem Tod die offizielle Todeszahl weiterhin mit 31 angegeben werden wird.
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Elena Filatova